• Wichtige Differenzierungen bei einem heiklen Thema!

    Mit fortschreitender Entwicklung der Medizin werden sich Vielfalt und Diagnostik zu Erbkrankheiten stetig entwickeln. Etliche der Erbkrankheiten sind mittlerweile erforscht und über Gentests kann für einige Erkrankungen schon eine Aussage bezüglich der genetischen Disposition getroffen werden.

    Bislang sind ca. 120 verschiedene Erbkrankheiten beim Pferd identifiziert, wobei man die erblichen Erkrankungen in monogen und polygen vererbte beziehungsweise multifaktoriell bedingte Erkrankungen einteilen sollte für eine Bewertung in der Pferdezucht. Auch das Berberpferd ist von dieser Problematik nicht ausgenommen.

    Bei der monogen vererbten Erkrankung ist nur ein einziges Gen betroffen. (z.B. Hyperkaliämische Periodische Paralyse (HYPP), Lethal White Foal Syndrome (LWFS) , ). Der Erbgang ist in Bezug auf den Ausbruch der Erkrankung ein zweiter Faktor.

    Von polygen vererbten Erkrankungen wird gesprochen, wenn nicht nur ein, sondern mehrere Gene von einem Defekt betroffen sind für eine mögliche Erkrankung. Zusätzlich sind weitere Faktoren relevant, wie Umwelteinflüsse, Fütterung und Haltung, welche die Erkrankung letztlich auslösen und teilweise auch in ihrer Schwere steuern. Solche „multifaktoriellen Komponenten“ sind neben der erblichen Disposition für den Züchter und Halter unbedingt zu berücksichtigen. Auch machen es diese Umstände oft schwer, einer Erkrankung einen vererblichen Faktor sicher zuzuschreiben. Oft kann das Ermitteln einer genetischen Komponente aufgrund eines gehäuften Auftretens innerhalb einer Linie oder Familie erst durch eine Erfassung und mind. bestandsweite Analyse wissenschaftlich studiert werden. Entscheidend sind in engen Populationen zur Analyse dann weniger die absoluten Zahlen, als vielmehr die Abstammungen/Herkunft der Trägertiere bzw. deren möglicher Nachweis über die Nachzucht und Familien.

    Das betrifft auch spontane Mutationen und Atavismen (mutative Atavismen) innerhalb der Equiden, wie z.B. weiße Freiberger/Farb-Mutation im Freiberger, Polydaktylie ect.

    Aufgrund der Historie und Praxis der Pferdezucht im Maghreb sollten bekannte „Typische Erkrankungen“ anderer Rassen nicht vollkommen ausgeschlossen werden, insbesondere aus dem recht gut erfassten Bestand des Araberpferdes.

  • Polydaktylie - In Gedenken an das Urpferdchen - auch der Berber ist als Equide betroffen !

    aus Pferdeheilkunde 25 (2009) 6 (November/Dezember) 586-589
    Kerstin Wolff1, Gesine Lühken2 und Lutz-F. Litzke1
    Klinik für Pferde (Chirurgie) mit Lehrschmiede, Prof. Dr. Dr. habil. Lutz-F. Litzke1 und Institut für Tierzucht und Haustiergenetik, Prof. Dr. Georg Erhardt2, Justus-
    Liebig Universität Giessen
    Das Vorhandensein überzähliger Finger oder Zehen wird als Polydaktylie bezeichnet (Reinacher 1999). Sie tritt sowohl beim Menschen (Mumoli et al. 2008) als auch bei verschiedenen Hautierarten wie Katze (Sis und Getty 1968), Hund (Park et al. 2008), Rind (Bahr et al. 2003) und Pferd (Crow 1985, Stanek und Hantak 1986, Dore 1989, Weinhart und Gotz 1996, Bowling und Milion 1990, Carstanjen et al. 2007) auf. Beim Pferd, dessen Akropodium aus einem einzigen Strahl besteht, das aber aus Vorfahren, die drei oder vier Zehen besaßen, hervorgegangen ist, soll in bestimmten Fällen das Vorkommen polydaktyler (mehrfingeriger) Akren auf diese Abstammung zurückzuführen sein (Boas 1917, Hall 1995).
    Die Stammesgeschichte der Pferde zählt zu der mittels Fossilienfunden am besten dokumentierten innerhalb der Säugetiere. Sie gilt als Paradebeispiel für den graduellen evolutionären Wandel und ist charakterisiert durch die Entwicklung von kleinen, mehrzehigen, blätterfressenden Waldbewohnern hin zu langbeinigen, einzehigen Grasfressern der Steppe. Als weltbekannte Fossilfundstätte ist die Grube Messel in der Nähe von Darmstadt das erste und einzige UNESCO Weltnaturerbe Deutschlands. Das Messeler Urpferdchen ist eines der schönsten und vollständigsten Exemplare der kleinen Art Eurohippus messelensis (alter Name: Propalaeotherium parvulum; Abb.1), die etwa so groß wie ein Foxterrier wurde. Typisch für diese frühen Pferde ist, dass ihre Vorderbeine vier, die Hinterbeine drei Zehen hatten. Mit der funktionsbezogenen Aufrichtung des Fußes von der Fußsohle auf die Zehenspitze kam es zu einer Rückbildung in Anzahl und Größe der Fußstrahlen. Diese Verminderung im Verlauf der phylogenetischen Entwicklung erfasste zuerst den medialen, den 1. Strahl, dann den 2. und 5., bzw. am Hinterhuf den 5. und 2. und weiterhin den 4. Strahl, sodass schließlich bei den rezenten Equiden nur der dritte Gliedmaßenstrahl vollentwickelt geblieben ist (Nickel et al. 1992).
    Zeigen einzelne Individuen Merkmale, die vor vielen Generationen verschwunden waren, so spricht man von Atavismen bzw. Rückschlägen. Die Polydaktylie des Pferdes gilt als Paradebeispiel für Atavismen (Hall 1995), bei denen bei einzelnen Individuen Merkmale einer stammesgeschichtlich früheren Entwicklungsstufe während ihrer Embryonalentwicklung nicht rückgebildet werden. Allerdings kann es wie beim Menschen  und anderen Haustieren auch beim Pferd durch Teilung der Bildungsanlagen zur zahlenmäßigen Vermehrung von Zehen kommen (Schistodaktylie). Hiervon sind allerdings in der Regel alle Fingerknochen betroffen, während die Griffelbeine meistens normal ausgebildet sind (Stanek und Hantak 1986, Carstanjen 2007). Eine atavistische Polydaktylie kann dann ausgeschlossen werden, wenn sie nicht vom distalen Ende des medialen und/oder lateralen Griffelbeins ausgeht (Boas 1917; Stanek und Hantak 1986). Zusätzliche Fehlbildungen am Skelett sprechen ebenfalls gegen einen Atavismus (Knorr 1941, Leipold und MacDonald 1971). Am häufigsten haben überzählige atavistische Zehen – wie auch im vorliegenden Fall – ihren Ursprung am medialen Griffelbein (Stanek und Hantak 1986).
  • Polysaccharid-Speicher-Myopathie (PSSM) – PSSM Typ1 und Typ2!

    (Quelle http://www.cvm.umn.edu/umec/lab/PSSM/home.html )

    Diese Muskelerkrankung tritt am häufigsten bei Quarter Horse-verwandten Rassen, aber auch bei Warm- und Kaltblütern auf und geht mit versteifter Muskulatur, Schwäche, Arbeitsintoleranz und Lahmheit einher. Die Verbreitung von PSSM nimmt man nach klinischen Studien an zufällig gewählten Freizeitpferden über alle Rassen an, auch das Berberpferd ist davon nicht ausgenommen.

    Es wurden bisher 2 verschiedene Typen von PSSM beim Pferd entdeckt – Typ 1 und Typ2. Typ 1 wurde in über 20 Rassen identifiziert – hauptsächlich beim Quarter-Horse, dem Quarter-Horse verwandte Rassen, Morgans, in einigen Kaltblutrassen und einigen Warmblütern. Typ 2 wurde im Quarter-Horse, dem Araberpferd, Vollblut und in anderen leichten, blütigen Rassen identifiziert.

    In Skelettmuskelbiopsien betroffener Pferde werden Anhäufungen von Glykogen, Glucose-6-Phosphat und abnormalen Polysaccharideinschlüssen gefunden. Der zu Grunde liegende metabolische Defekt ist unklar, aber eine kohlenhydratreiche Fütterung, inadequates Training und unregelmässige Arbeit spielen als Auslöser eine wichtige Rolle. Früher (Valberg et al., 1996) wurde der Vererbungsmodus noch als autosomalrezessiven Erbgang angenommen, mittlerweile veröffentlicht Laboklin, dass es sich um einen Autosomal dominanten Erbgang handelt.

    (Quelle: M.Mele, A. Ramseyer, D. Burger, T. Leeb, V. Gerber (2008): Erbkrankheiten beim Pferd: I. Monogen vererbte Erkrakungen; Schw. Arch. f. Tierheilk. April 2008, S. 167 -171 und M. Mele, A. Ramseyer, D. Burger, W. Brehm, S. Rieder, E. Marti, R. Straub, V. Gerber (2008): Erbkrankheiten beim Pferd: II. Polygen vererbte oder multifaktorielle Erkrakungen; Schw. Arch. f. Tierheilk. April 2008, S. 173 – 180.)

    Leider kann ein Test die Genträger nicht mit vollständiger Sicherheit identifizieren, denn nach momentanen Erkenntnissen gehören ca. 90% der von PSSM betroffenen Pferde zum weit verbreiteten PSSM Typ1 (Gen GYS 1) und 10 % sind vom PSSM Typ2 – das heißt, sie sind GYS 1-Nichtträger und nur über eine Muskelbiopsie identifizierbar.

    http://www.cvm.umn.edu/umec/lab/PSSM/home.html

    Vorgehen im Verdachtsfall:

    http://www.cvm.umn.edu/umec/prod/groups/cvm/@pub/@cvm/documents/asset/cvm_88617.pdf

    Weiter-reichende Informationen für betroffene Halter/Züchter:

    http://www.dai-shodan.de/PSSM-Polysaccharide-Storage-Myopathy.html

    http://www.dai-shodan.de/Pferde-Muskulatur.html

    Bei einzelnen Pferden kann die PSSM-Erkrankung durch den Gendefekt EMH (Equine Maligne Hyperthermie) zusätzlich erschwert werden, daher ist es zudem im Krankheitsfall ratsam, neben dem PSSM-Test auch einen EMH-Test durchführen zu lassen. EMH ist eine heute eher seltene, akute Muskelerkrankung, die vor allem unter besonderen Bedingungen wie z.B. Hochleistungsrennen oder großer Hitze fatal ausbrechen kann.Wie PSSM folgt EMH einem dominanten Erbgang.

    Laboklin PSSM:

    http://www.laboklin.com/index.php?link=labogen/pages/html/de/erbkrankheiten/pferd/pferd_polysaccharid_speicher_myopathie-pssm.html

  • Erklärung Autosomal dominanter Erbgang

    Quelle http://www.laboklin.com/index.php?link=labogen/pages/html/de/erbkrankheiten/autosomal_dominant_de.html

    Für jedes Merkmal liegen im Genom zwei Kopien vor. Je eine Kopie erhält das Tier von seinem Vater und eine von seiner Mutter. Wird ein Merkmal autosomal-dominant vererbt bedeutet dies, dass ein Tier bereits erkranken kann, wenn es eine Kopie des betroffenen Gens von Vater oder Mutter erhalten hat. Es können also entweder Vater- oder Muttertier das mutierte Gen tragen und damit selbst auch erkrankt sein.